{"id":243,"date":"2015-05-05T23:56:39","date_gmt":"2015-05-05T21:56:39","guid":{"rendered":"http:\/\/aspie.labut.at\/?p=243"},"modified":"2021-04-11T11:14:51","modified_gmt":"2021-04-11T09:14:51","slug":"start-ins-berufsleben","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/aspie.labut.at\/start-ins-berufsleben\/","title":{"rendered":"Start ins Berufsleben"},"content":{"rendered":"

In den nachfolgenden Zeilen m\u00f6chte ich mich mit meinem zweifellos holprigen Eintritt ins Berufsleben auseinandersetzen.<\/strong><\/p>\n

Im Juni 1989, wenige Monate vor meinem 18. Geburtstag, konnte ich die Schulausbildung abschliessen. Da mich das Bundesheer aufgrund einer vorangegangenen Krebserkrankung f\u00fcr untauglich erkl\u00e4rt hatte war es mir m\u00f6glich bereits auf Jobsuche zu gehen. Eine besondere Pr\u00e4ferenz hatte ich wohl nicht, doch empfand ich den Berufseinstieg vorrangig als gro\u00dfen Schritt zu mehr pers\u00f6nlicher Freiheit und Selbstst\u00e4ndigkeit.<\/p>\n

In der Zentrale eines Elektronikh\u00e4ndlers<\/strong> sollte das zweik\u00f6pfige Team der IT-Betreuer erweitert werden und bereits Anfang August hatte ich dort meinen ersten Arbeitstag. Die Erinnerungen an die damalige Kollegenschaft sind beinahe g\u00e4nzlich verblasst, aber die sozialen Mankos waren auch im Berufsleben erkennbar. Das Aufgabengebiet stellte keine besondere Herausforderung dar, doch hatte ich offenbar Probleme mich in das kleine Team zu integrieren. Aufgrund eines ungeschickten Verhaltens wurde ich nach nur zwei Monaten gek\u00fcndigt.<\/p>\n

Ohne mich arbeitslos zu melden widmete ich mich umgehend wieder den Stellenausschreibungen in den Tageszeitungen. Ein PC-H\u00e4ndler mit Zentrale in Tirol<\/strong> war gerade auf Expansionskurs und wollte in Wien bald seine zweite Filiale er\u00f6ffnen. Nach einem kurzen Vorstellungsgespr\u00e4ch hatte ich den Dienstvertrag auch schon in der Tasche. Es wurde vereinbart, dass ich zwecks Einschulung einige Wochen in der Filiale in Innsbruck verbringen w\u00fcrde. M\u00f6glicherweise lockte mich die Aussicht, dass ich nach meiner R\u00fcckkehr als Filialleiter in Wien vorgesehen w\u00e4re. Nicht ber\u00fccksichtigt hatte ich wohl dass ich weder f\u00fcr den Verkauf noch f\u00fcr das Assemblieren von Hardware auch nur ansatzweise ein Geschick aufwies. Das Anstreben eines bestimmten Aufgabenbereiches oder eine ungef\u00e4hre Planung f\u00fcr meine berufliche Zukunft hatte ich mir aber wohl nicht zugetraut. Ich kann heute nur mehr dar\u00fcber schmunzeln, dass ich in mir als 18j\u00e4hrigen Filialleiter keinen Widerspruch entdecken wollte.<\/p>\n

Schon in der darauffolgenden Woche reiste ich mit der Bahn nach Tirol, wo der Dienstgeber mir ein Zimmer in einer kleinen Fr\u00fchst\u00fcckspension bereitstellte. Die Arbeitszeit verbrachte ich in der Filiale in Tirol, wo zwei Kollegen ihren Dienst versahen. Die Einschulung war mehr von Hilfsarbeit im Lager gepr\u00e4gt, aber dennoch hatte ich vorerst keine Zweifel an meiner Jobwahl gehegt oder diese auch nur ansatzweise hinterfragt. Nach rund vier Wochen kehrte ich nach Wien zur\u00fcck, wo ich nun in der eigenen Filiale arbeiten sollte. Mein bestimmt nicht \u00fcppiges Monatsgehalt beinhaltete ein \u00dcberstundenpauschale, welches eine Sechstagewoche mit mehr als 50 Stunden abdecken sollte. Die Filiale durfte ich zusammen mit einer einzigen Teilzeitkraft betreiben. Doch schon bei den ersten Kundenauftr\u00e4gen offenbarte sich mein nicht vorhandenes technisches Talent. Am n\u00e4chsten Tag erhielt ich von der Zentrale ein FAX mit einer kommentarlosen K\u00fcndigung und wurde per sofort dienstfrei gestellt.<\/p>\n

Ich kann nicht mehr sagen wie ich damals mit dem so kurz aufeinander gefolgten Jobverlust umgegangen bin. Habe ich eingesehen, dass ich f\u00fcr den Job ungeeignet war? Hat es mir leid getan, war ich frustriert oder war es mir egal? Ich wei\u00df es nicht, wahrscheinlich habe ich die n\u00e4heren Umst\u00e4nde wie so oft verdr\u00e4ngt. Wirklich gute Freunde gab es zu dieser Zeit nicht und meinen Eltern habe ich wohl lapidar erkl\u00e4rt, dass es nicht geklappt hat und ich mich wieder auf Jobsuche begeben m\u00fcsse. Emotionen werde ich ganz bestimmt keine gezeigt haben, das hatte ich doch bislang nie getan …<\/p>\n

Der Jobmarkt dieser Zeit bot f\u00fcr durchschnittlich qualifizierte IT-Einsteiger gute Voraussetzungen. Das n\u00e4chste Dienstverh\u00e4ltnis lie\u00df auch nicht lange auf sich warten und wies vielversprechende Vorzeichen auf. Ein kleines Bankinstitut in der Wiener Innenstadt<\/strong> suchte f\u00fcr sein Rechenzentrum einen Operator und im J\u00e4nner 1990 konnte ich meinen Dienst im Kellergescho\u00df des altehrw\u00fcrdigen Geb\u00e4udes neben der Staatsoper antreten. Im Schichtbetrieb wurden von zwei Teams mit jeweils drei Mitarbeitern eine Betriebszeit von etwa 6 bis 22 Uhr abgedeckt. Das Dienstverh\u00e4ltnis war auf sechs Monate befristet – dies sei aber nicht ungew\u00f6hnlich und es w\u00fcrde ein unbefristeter Vertrag folgen, wurde mir glaubhaft in Aussicht gestellt.<\/p>\n

Im Vergleich zu den vorherigen Dienstverh\u00e4ltnissen hatte ich es mir tats\u00e4chlich verbessert. Der Aufgabenbereich umfasste das klassische Operating von Mainframes von der Datensicherung auf Magetb\u00e4ndern bis hin zur Nachbearbeitung des Druckoutputs. Ich arbeitete mit zwei etwas \u00e4lteren Kollegen zusammen, wobei das Verh\u00e4ltnis zu diesen stets sehr f\u00f6rmlich verlief. Diesen Umstand erw\u00e4hne ich nur deshalb, weil ich auch in sp\u00e4teren Berufsjahren beobachteb musste,\u00a0 dass mir das Geschick zu einem freundschaftlicheren Umgang mit Kollegen schwer fiel. Der Abteilungsleiter war mit meiner Arbeit zwar zufrieden, der Schichtleiter bem\u00e4ngelte aber das fehlende Geschick bei der Bedienung technischer Hardware.<\/p>\n

Ein Consulting Unternehmen wurde zu dieser Zeit vom Mutterkonzern beauftragt das Bankinstitut auf Kosteneffizienz zu \u00fcberpr\u00fcfen. Ich kann mich noch daran erinnern wie unsere Arbeitsabl\u00e4ufe mit der Stoppuhr gemessen wurden um die Auslastung zu bewerten. Es lief darauf hinaus, dass unser Team ein Einsparungspotential aufwies, was mir den Arbeitsplatz kostete, da das befristete Dienstverh\u00e4ltnis nicht verl\u00e4ngert werden konnte. Als schwachen Trost erhielt ich ein Dienstzeugnis, in dem mir best\u00e4tigt wurde dass ich die Arbeit „mit Flei\u00df und Gewissenhaftigkeit zur vollsten Zufriedenheit“ erledigt h\u00e4tte.<\/p>\n

In den sechs Monaten als Bankmitarbeiter hatte ich auch meine erste Wohnung angemietet. Die Ehe meiner Eltern stand nach langj\u00e4hriger Krise vor der Scheidung und die eigene Wohnung war mir ein sehr gro\u00dfes Anliegen gewesen. Die 23 Quadratmeter Substandard ohne Bad und mit WC am Gang w\u00e4ren zwar bestimmt nicht jedermanns Sache gewesen, lie\u00dfen sich aber finanziell gut arrangieren. Ich hatte nun eine eigene Wohnung, in der ich mich zur\u00fcckziehen konnte und das war das einzige was z\u00e4hlte …<\/p>\n

Anfang Juli des Jahres 1990 hatte ich innerhalb von nur einem Jahr den dritten Job in Folge verloren und meldete mich erstmalig arbeitslos. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt zwar noch keine verwertbare Berufserfahrung vorweisen, doch waren mir die Jobinserate in den Zeitungen schon etwas vertraut. Dennoch bin ich keinesfalls gezielt oder gar strategisch an die Sache herangegangen, sondern war ausschlie\u00dflich darauf bedacht am schnellsten Weg einen neuen Job zu finden. Die geringen finanziellen Verpflichtungen f\u00fcr die kleine Mietwohnung h\u00e4tten ein \u00fcbereiltes Vorgehen aber bestimmt noch nicht notwendig gemacht.<\/p>\n

Nach nur zwei Monaten konnte ich schon meinen Dienst als Operator in einem Speditionsunternehmen<\/strong> antreten. Das Aufgabengebiet umfa\u00dfte unter anderem die Jobsteuerung, das Outputmanagement und den Hardwareservice f\u00fcr die Endanwender. Ein f\u00fcnfk\u00f6pfiges Team war werktags im Schichtdienst von 6 Uhr morgens bis 2 Uhr fr\u00fch im Einsatz. Auch regelm\u00e4\u00dfige Wochenenddienste waren vorgesehen. Seit kurzem hatte ich ein eigenes Auto – einen VW K\u00e4fer, der fast so alt war wie ich – soda\u00df ich den oftmals n\u00e4chtlichen Arbeitsweg gut zur\u00fccklegen konnte. Mit dem Schichtdienst, den ich \u00fcber acht Jahre meines Arbeitslebens beschritt, habe ich mich stets gut arrangiert. Nicht nur die finanzielle Abgeltung sondern auch das Vermeiden des strapazi\u00f6sen Sto\u00dfverkehrs kamen mir entgegen.<\/p>\n

Ich darf vorweg verraten, dass ich den Arbeitsplatz in der Spedition \u00fcber mehr als sechs Jahre behalten konnte. Dass dieser Umstand aber zumindest in der ersten Zeit keinesfalls gesichert war m\u00f6chte ich kurz erl\u00e4utern. Ich war zusammen mit einem etwas \u00e4lteren Kollegen aufgenommen worden und wir durchliefen in den ersten Wochen eine Einschulungsphase. Wenn man sich das Schichtsystem genauer ansah fiel allm\u00e4hlich auf, dass das Team um einen Mitarbeiter \u00fcberbesetzt sein k\u00f6nnte. Dieser Umstand wurde von meiner Seite nie offen hinterfragt und begr\u00fcndete sich wohl in einem gleicherma\u00dfen strategischen wie auch berechnenden Kalk\u00fcl der Vorgesetzten. Auch wenn ich meine Arbeit gewissenhaft verrichtete war mir bewu\u00dft, dass ich der schw\u00e4chste Teil im Team war und meine Anstellung an einem immer seidener werdenden Faden hing. Die Ursache begr\u00fcndete sich weniger in fachlicher Hinsicht als vielmehr in der mangelnden F\u00e4higkeit mich ausreichend sozial in das Arbeitsumfeld integrieren zu k\u00f6nnen.<\/p>\n

Im Fr\u00fchjahr 1991 mu\u00dfte ich bei meinem Dienstantritt an einem Montag kurz vor 8 Uhr in der Fr\u00fch feststellen, dass das Rechenzentrum noch versperrt war. Der langj\u00e4hrige Kollege h\u00e4tte schon seit 6 Uhr in der Firma sein sollen. Anfangs war ich lediglich etwas verwundert, aber bestimmt nicht besorgt wegen seines Fernbleibens. Nachdem ich den B\u00fcrobereich selbst aufgeschlossen hatte griff ich zum Telefon und w\u00e4hlte die private Rufnummer des Kollegen. An dieses Telefonat kann ich mich wohl nur mehr in Trance erinnern und habe meine Gedanken und Gef\u00fchle dazu auch selten bis gar nicht artikuliert.<\/p>\n

Von der hochschwangeren Lebensgef\u00e4hrtin mu\u00dfte ich erfahren, dass der 30j\u00e4hrige Kollege am Wochenende verstorben war. Soweit mir die gesundheitlichen Umst\u00e4nde bekannt sind hatte sich die \u00fcberraschend aufgetretene Hirnblutung nicht abgezeichnet.<\/p>\n

Nur mit einem Kollegen, der um knapp zwanzig Jahre \u00e4lter war als ich, hatte ich eine freundschaftliche Basis gefunden. Er best\u00e4tigte mir in einem sp\u00e4ter gef\u00fchrten Gespr\u00e4ch die Vermutung, dass der Tod des Kollegen wohl meine K\u00fcndigung nur im allerletzten Moment verhindert hatte – so unglaublich zynisch sich das auch anh\u00f6ren mag. Ein Wort \u00fcber diesen Umstand wurde dennoch nie verloren.<\/p>\n

Das Arbeitsklima war alles andere als gut und die Personalfluktuation in unserem Team hoch. Nicht selten hatten sich Kollegen freiwillig von dem Unternehmen abgewandt, wenn sie M\u00f6glichkeiten f\u00fcr eine bessere berufliche Zukunft sahen. Aufgrund dieses Umstandes z\u00e4hlte ich relativ bald zu den dienst\u00e4lteren Kollegen und konnte es besser vermeiden mich zur Zielscheibe von Anfeindungen zu machen. Der Umgang unter den Kollegen verlief oberfl\u00e4chlich und durchaus konfliktbelastet. R\u00fcckblickend kann ich erkennen dass ich an einem zwischenmenschlichen Kontakt auch nicht wirklich interessiert war und meine Arbeiten am liebsten alleine verrichtete. Es war f\u00fcr mich aber auch unvorstellbar \u00fcber Alternativen am Jobmarkt nachzudenken, wenngleich sich die ungewisse Zukunft unserer Arbeitspl\u00e4tze allm\u00e4hlich abzuzeichnen begann.<\/p>\n

Im Sp\u00e4tsommer 1996 fiel die Entscheidung, dass das Rechenzentrum Wien aufgelassen und mit der Zentrale fusioniert wird. W\u00e4hrend sich manch andere Kollegen um neue Aufgabengebiete im Haus bem\u00fchten machte ich mir dazu keinerlei Hoffnungen. Wenige Tage vor Silvester absolvierte unser Schichtteam den letzten Arbeitseinsatz und mein Dienstverh\u00e4ltnis wurde mit Ende J\u00e4nner 1997 beendet.<\/p>\n

Anders als noch vor mehr als sechs Jahren war ich nun aber nicht mehr gewillt den n\u00e4chstbesten Arbeitsplatz anzunehmen. Ich war seit Februar arbeitslos gemeldet und absolvierte aus eigener Motivation einen Netzwerkkurs an der H\u00f6heren Technischen Lehranstalt f\u00fcr Informationstechnologie. Nat\u00fcrlich versandte ich auch zahlreiche Bewerbungsschreiben, welche vorrangig aus Jobinseraten in Zeitungen resultierten. Ich war damals 25 Jahre alt und hatte sieben Jahren Erfahrung in der Branche vorzuweisen, was nicht die allerschlechtesten Voraussetzungen waren.<\/p>\n

Meine Sorgen drehten sich weniger darum eine Anstellung, als vielmehr ein m\u00f6glichst konfliktfreies Umfeld zu finden. Am 16. Juni 1997 begann ein neuer und \u00fcberwiegend positiver beruflicher Abschnitt, welcher \u00fcber beinahe 18 Jahre anhalten sollte …<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

In den nachfolgenden Zeilen m\u00f6chte ich mich mit meinem zweifellos holprigen Eintritt ins Berufsleben auseinandersetzen. <\/p>\n

Weiter<\/a><\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[2],"tags":[],"class_list":["post-243","post","type-post","status-publish","format-standard","hentry","category-blog","generate-columns","tablet-grid-50","mobile-grid-100","grid-parent","grid-50"],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/243","targetHints":{"allow":["GET"]}}],"collection":[{"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=243"}],"version-history":[{"count":2,"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/243\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":741,"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/243\/revisions\/741"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=243"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=243"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/aspie.labut.at\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=243"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}