Unter dem Titel „Ein Tag wie jeder andere“ möchte ich einen Streifzug durch die Vergangenheit unternehmen.
Es ist mir wichtig zu erwähnen, dass der Titel dieses Beitrages keine Geringschätzung des Weihnachtsbrauchtums ausdrücken soll. Weihnachten ist ein Fest der Familie, steht für eine Zeit der Besinnung und sollte von den Menschen so individuell wie möglich begangen werden dürfen. Absurd erscheint es mir, wenn einem Nichtgläubigen indirekt vorgeworfen wird, dass er an den Weihnachtsfeiertagen ebenso seine Freizeit geniesst. In den nachfolgenden Zeilen möchte ich einige wenige persönliche Rückblicke anstellen und vielleicht auch meinen Bezug zum Heiligen Abend zu erklären versuchen.
Kindheit und Jugend
Die Erinnerungen an die Kindheit, wo noch an das Christkind geglaubt wurde, sind – wie wohl bei so manchen Menschen – weitgehend verblasst, sodaß ich dazu nicht viel erzählen kann. Die Familie war zwar schon damals klein und nicht konfliktfrei, aber noch existent. Mein Bruder Robert lebte seit 1983 in einer eigenen kleinen Wohnung und heiratete 1990 seine langjährige Lebensgefährtin.
Im Februar 1990 konnte ich die erste heiß ersehnte eigene Wohnung – 23 m2 Substandard ohne Bad – beziehen. Meine Mama hatte einen neuen Lebenspartner kennengelernt, den sie 1991 heiratete. Joschi war verwitwet und hatte eine nicht ganz einfache Basis zu seiner in Niederösterreich lebenden Tochter. Doch nun sollte sich vieles zum besseren wenden, da eine neue kleine Familie entstand. Der Heilige Abend wurde gemeinsam mit Oma in der Wohnung in Simmering, wo Mama mit Joschi lebte, begangen. Am Christtag oder Stefanietag besuchte ich dann meinen Vater. In der Zwischenzeit hatten Mama und Joschi einen Kleingarten in Rothneusiedl gepachtet, wo sie die Sommermonate verbrachten und Freundschaften in der Nachbarschaft gepflegt wurden. Mein Bruder Robert verunglückte am 16. Juli 1995 beim Sporttauchen in Kroatien, was für die Familie einen unglaublich schweren Schicksalschlag darstellte.
Spätere Jahre
Joschi war ein treuer, gutmütiger und hilfsbereiter Charakter, doch beschränkte sich seine Welt – besonders seit der Pensionierung 1997 – zunehmend auf die eigenen vier Wände. Über das gerade erst entdeckte Internet lernte meine Mutter 2004 dann Karl kennen, der doch ganz anders als Joschi war. Der Pensionist war wenige Jahre jünger als meine Mutter, hatte praktisch keine Familie und einen äußerst begrenzten Freundeskreis. Auch wenn vormalige Bekannte meiner Mutter ihren Schritt offenbar nicht akzeptieren wollten und sich überwiegend von ihr abwandten genoß sie den neuen Lebensabschnitt zweifellos. Den Heiligen Abend in den Jahren 2005 und 2006 konnte ich mit Mama, Oma und Karl in meiner Wohnung am Wienerberg verbringen. Es waren die einzigen Jahre, in denen ich daheim einen Christbaum aufgebaut hatte. Am 29. August 2007 durfte ich als Trauzeuge der Hochzeit meiner Mutter am Standesamt Floridsdorf beiwohnen. Als Karls Trauzeugin fungierte die Nachbarin aus der Gartenanlage, in welcher die beiden seit dem Sommer 2005 ein kleines Haus bewohnten. Nur wenige Wochen später erkrankte meine Mutter an einem Gallengangkarzinom und starb qualvoll am 17. Jänner 2008. Nur zwei Monate später, am 12. März 2008, wurde bei mir ein Hirntumor diagnostiziert. Joschi starb am 30. August 2010.
Nach dem Tod meiner Mutter
In den vergangenen Jahren besuchte ich am Heiligen Abend untertags meine Oma und meinen Vater. Oma starb am 18, September 2014 und der Vater ist schon längere Zeit bettlägrig und leidet unter anderem an fortschreitender Demenz. Auch am diesjährigen 24. Dezember habe ich am Vormittag meinen Vater besucht und es war mir wichtig im Anschluß daran an den beiden Familiengräbern eine Kerze anzünden zu können. Am Zentralfriedhof wurden mein Bruder sowie meine Großeltern väterlicherseits, am Friedhof Großjedlersdorf meine Mama und meine Oma beigesetzt.
Bezug zu Weihnachten
Es wäre nicht in meinem Sinne, wenn ich den Eindruck erweckt hätte, dass Weihnachten an mir vorübergeht. Erst Mitte Dezember habe ich mit Silvia ein schönes Wochenende verbracht und zahlreiche Adventmärkte besucht. Auch mit anderen Freunden konnte ich auf das bevorstehende Weihnachtsfest anstoßen und eine angenehme Zeit verbringen. Allzu große und ausgiebige gesellschaftliche Veranstaltungen führen mir aber zuletzt – nicht nur zu Weihnachten – meine psychischen Grenzen vor Augen. Es war wichtig und notwendig, dass ich massiv belastenden Konfrontationen – mit Unterstützung meiner Psychotherapeutin – zunehmend aus dem Weg gegangen bin. Die familiäre Situation ist für mich ein unveränderbares Faktum und es ist mir wichtig, dass mein Umfeld akzeptiert und keinesfalls bedauert, dass ich Weihnachten etwas anders verbringe – eben als einen Tag, wie jeden anderen …
Update 2018:
Mein Vater starb am 24. August 2018 im 88. Lebensjahr und wurde im Familiengrab – an der Seite seiner Eltern und seines Sohnes – am Zentralfriedhof beigesetzt.
robert.labut.at – Erinnerungen an unsere Familie
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